Wo muss der Weg der deutschen Sozialdemokratie hingehen – in Richtung liberaler Mitte?

Veröffentlicht am 18.05.2011 in Programmatisches

Beitrag des rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten Fritz Rudolf Körper für die Online-Ausgabe vom vorwärts:

Auf das System der kommunizierenden Röhren ist kein Verlass mehr. Haben in früheren Jahren die Konservativen in Deutschland bei Wahlen verloren, hat die deutsche Sozialdemokratie fast in gleicher Höhe dazugewonnen. Diese Regel trifft aber schon seit längerer Zeit nicht mehr zu. Auch deshalb, weil sich das Parteispektrum links der Mitte vergrößert hat.

Die SPD ist bei der letzten Bundestagswahl 2009 in der Wählergunst auf einen historischen Tiefpunkt abgerutscht: Mit 23,2 Prozent oder 9,9 Millionen Wählerinnen und Wählern landete sie abgeschlagen auf der Oppositionsbank, obwohl das CDU/CSU-Ergebnis von 34 Prozent auch nicht sonderlich üppig ausgefallen war. Die FDP erzielte mit fast 15 Prozent ihr bestes Ergebnis bei Bundestagswahlen. Jedoch folgte diesem Höhenflug der Liberalen ein demoskopischer Sturzflug auf bundespolitischer Ebene. Umfragen sehen die FDP zwischen 3 und 5 Prozent. Die Umfragewerte der SPD stagnieren um die 25 Prozent. Bei verschiedenen Umfragen liegen die Grünen sogar vor der SPD.

Was ist für die deutsche Sozialdemokratie strategisch zu tun? Wo liegen die Handlungsfelder für die SPD, um wieder Wahlen zu gewinnen? Schlichtweg - was ist zu tun? Zugespitzt geantwortet: Die Öffnung der SPD zur liberalen Mitte scheint der einzig erfolgversprechende Weg zu sein. Keine Angst, ich möchte nicht, dass die SPD in die Fußstapfen der Markt-Radikalen tritt und Klientelpolitik betreibt. Der Weg der SPD zur liberalen Mitte bedeutet im Grundsatz: Wir müssen uns von dem (gesellschaftlichen) Schema der „Oben-unten-Gesellschaft“ verabschieden und uns verstärkt der Idee einer „dynamischen Gesellschaft“ zuwenden. Wer sind die „dynamischen Kräfte“ unserer Gesellschaft? Dies sind alle Menschen, die in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen und auch alle mittelständischen Betriebe. Unser politisches Handeln muss von dem Grundsatz getragen werden: Gutes Geld für Gute Arbeit. Arbeit muss sich für jeden Einzelnen lohnen – und auch möglich sein. Davon profitiert unsere gesamte Gesellschaft. Denn Geld mit Geld über Scheinpapiere und Finanzblasen zu verdienen, gewährleistet keine gute Zukunft. Diese Herausforderung ist sicherlich nicht nur mit dem Schlagwort „niedrige Steuern“ zu beantworten.

Wir müssen unter anderem klare Vorgaben entwickeln, wie auf einem zügellosen internationalen Bankenmarkt das Prinzip von Risiko und Haftung wieder hergestellt wird. Zudem brauchen wir keine Dumpinglöhne, sondern Mindestlöhne. Gutes Geld für Gute Arbeit fördert ein Leben in Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung – nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“. Damit stärken wir zwei wichtige Säulen einer „dynamischen Gesellschaft“: eigenverantwortlich handelnde Individualität und unabdingbare Solidarität.

Liberale Mitte ist von der Wiederentdeckung sozialstaatlicher Handlungsfelder geprägt, sie kümmert sich um Menschenrechts- und Bürgerrechtsfragen, um Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber immer dem Solidaritätsprinzip verpflichtet. Konkret übersetzt für eine zukünftige Steuerpolitik heißt dies: Steuerliche Entlastungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und des Mittelstandes - allerdings mit einer soliden Gegenfinanzierung. Dabei ist eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder die teilweise Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes als Kompensation denkbar.

Der Wohlstand in Deutschland muss nicht nur in abstrakten Konjunkturdaten sichtbar werden, sondern muss auch für die arbeitende Bevölkerung, den Facharbeiter, den Ingenieur und mittelständischen Betriebsinhaber im Alltag ganz persönlich erlebbar sein. Dies heißt aber nicht, dass die SPD die Hilfsbedürftigen und Benachteiligten unserer Gesellschaft aus den Augen verlieren darf. Gleichzeitig ist der Wettbewerb mit den Linken um eine ausufernde Verteilungspolitik aufgrund der Verschuldungssituation aller öffentlichen Haushalte, ein (finanz-)politischer Holzweg.

Es stimmt. Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Deshalb wird es der SPD nutzen, wenn es ihr gelingt, die Wähler der Mitte auch von ihrer sozial- und wirtschaftspolitischen Kompetenz zu überzeugen.

 

SPD

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