Das schwarz-gelbe Kabinett im Fakten-Check (5)

Veröffentlicht am 22.05.2010 in Bundespolitik

Deutschland ist in der Krise, und Angela Merkel rührt sich nicht. Das schwarz-gelbe Kabinett ist die größte und teuerste Nichtregierungsorganisation dieses Landes. Wir fragen: Was macht das Kabinett, um die Zukunftsfragen unseres Landes zu beantworten? Womit beschäftigen sich die 15 Minister? Wir schicken sie in den Fakten-Check. Heute Rainer Brüderle (FDP):

Rainer Brüderle (FDP): Sachbearbeiter auf Abruf

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle gilt selbst in den eigenen Reihen als „Totalausfall“ im Bundeskabinett. Von Wirtschaftsvertretern wird er mehr und mehr als durchsetzungsschwacher „Pantoffelheld“ verspottet (Der Spiegel, 10.05.2010). Seine Auftritte im Bundestag sind mittlerweile gefürchtet. Brüderle liest seine Sachbearbeiter-Reden gelangweilt vom Blatt ab und verliert sich in Klein- und Kleinstprojekten ohne jede ordnungspolitische Linie. Der Minister hat kein Konzept, wie die riesigen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands und Europas inmitten der größten Krise der Nachkriegszeit zu lösen sind.

Es heißt, Rainer Brüderle habe über 11 Jahre auf seinen „Traumberuf Chef“ im Bundeswirtschaftsministerium hingearbeitet. Jetzt wäre er am Ziel, doch das Amt zerrinnt ihm zwischen den Fingern. So schwach und einflusslos war das Wirtschaftsministerium wohl zuletzt unter Martin Bangemann. Die Eurokrise entblößt mit unmissverständlicher Klarheit die Schwäche des deutschen Wirtschaftsministers. Als Wolfgang Schäuble vor der entscheidenden Sitzung der europäischen Finanzminister in Brüssel am 8. Mai, wo über das 750-Milliarden-Euro-Rettungspaket für die Eurozone verhandelt wurde, erkrankte, schickte Angela Merkel nicht etwa Brüderle als den zuständigen Vertreter, sondern Innenminister de Maizière. Daher muss man fragen, hat Brüderle eigentlich noch den Rückhalt der Kanzlerin? Und hat Vizekanzler Westerwelle vorher davon gewusst und es sogar gebilligt? Brüderle ist schwer beschädigt, ohne Autorität und agiert als Minister auf Abruf.

Deutschland in der Krise? Brüderle, der Schönredner

Monatelang ließ uns Brüderle im Unklaren über einen konkreten Weg aus der Krise. Der Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen, erfolgte dann anlässlich seiner Regierungserklärung am 21. April 2010. Brüderle erklärt: „Deutschlands Wirtschaft wächst wieder und wir beobachten ein kleines Jobwunder“ und die BILD-Zeitung titelt: „Brüderle erklärt das kleine Wirtschaftswunder“. Fakt ist aber: Die Prognosen für 2010 sind gedämpft. Zuletzt hat der IWF seine Prognose für 2010 auf 1,2 % nach unten korrigiert. Und: Die Hälfte dieses Wachstums ist Folge der von uns maßgeblich mitgestalteten Konjunkturpakete, die zum Ende dieses Jahres größtenteils auslaufen.

Nachhaltige Wachstumspolitik? Fehlanzeige

Die Politik des Wirtschaftsministers wird den aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen nicht annähernd gerecht und enthält kein Konzept für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Die zentralen Fragen bleiben unbeantwortet. Um gestärkt aus der Krise zu kommen, ist eine intelligente Wachstumsstrategie gefragt. Frank-Walter Steinmeiers Deutschland-Plan liefert dafür den Kompass. Wir haben dazu ein eigenes Konzept für nachhaltiges Wachstum, gute Arbeit und gerechte Teilhabe in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir stellen dies der Konzept- und Tatenlosigkeit des Bundeswirtschaftsministers entgegen. Von der immer wieder beschworenen Wirtschaftskompetenz der FDP ist nichts in Sicht.

Wir fordern: Brüderle muss ein Gesamtkonzept vorlegen. Wir brauchen eine Stärkung der Investitionen, um den Innovationsprozess zu beschleunigen und die Gefahr einer lang anhaltenden Stagnation abzuwenden.

Die Zukunft von Opel? Vertagt und verzagt

Opel muss und kann aus eigener Kraft zukunftsfähig werden. Dabei stehen Zehntausende von Arbeitsplätzen, wichtiges Know-how und Wertschöpfungsketten auf dem Spiel. Brüderle aber spielt auf Zeit: Keine Spitzengespräche, denn erst müsse das Opel-Konzept weiter geprüft werden. Brüderle versucht, die Verantwortung nach Brüssel abzuschieben. Doch haben die Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standorten ihre kurzfristige Gesprächsbereitschaft bereits wiederholt angeboten. Der Minister bewegt sich nicht. Es reicht aber nicht aus, Gespräche nur auf Beamtenebene zu führen. Das lässt nur einen Schluss zu: Brüderle will die Opel-Standorte gar nicht sichern.

Wir fordern: Minister Brüderle muss unverzüglich mit Vertretern der Opel-Bundesländer, Gewerkschaften und Betriebsräten Gespräche aufnehmen. Wir brauchen jetzt ein entschiedenes Aktionsprogramm, um zu retten, was noch zu retten ist. Es kann nicht sein, dass im Eilverfahren gigantische Milliardenbürgschaften für Banken auf den Weg gebracht werden, aber für die Rettung eines zentralen Industrieunternehmens nur ein Schulterzucken übrig bleibt.

Effektive Wirtschaftsförderung? Nichts als nebulöse Ankündigungen

In der Wirtschaftsförderung – insbesondere der von Brüderle immer wieder gebetsmühlenartig wiederholten Förderung des Mittelstandes – ist der Minister ein Totalausfall. Die Investitionen sind in Deutschland um rund 20 Prozent erdrutschartig eingebrochen. Unternehmen verlagern ihre Investitionen ins Ausland. Schlüsselbranchen wie die Chemie schieben derzeit keine neuen Projekte mehr an. Neue innovative Branchen wie die Solartechnologie wandern ab, weil Schwarz-Gelb mit scharfen Einschnitten in die Förderung den Abbruch langfristiger Strategien riskiert. Brüderle wirkt bei all dem hilflos und orientierungslos.

Wir fordern: Notwendig ist ein Impuls-Programm für Investitionen, das Anreize schafft, um inländische Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Jeder weitere Zeitverlust verstärkt die Gefahr.

Kreditmediator? Schaufensterpolitik statt Sicherung der Unternehmensfinanzierung

Mit der Einsetzung des Kreditmediators Metternich wollte Brüderle der drohenden Kreditklemme vor allem für größere mittelständische Firmen entgegentreten. Der Kreditmediator, der Ende 2011 schon wieder abgeschafft werden soll, kostet den Bundeshaushalt 5 Millionen Euro jährlich. Bezeichnend: Metternich, ein „Spezi“ von Brüderle, bekommt für seine Arbeit mehr Gehalt als die Bundeskanzlerin, hat aber innerhalb von zwei Monaten mit seinem gesamten Mitarbeiterstab lediglich 26 Anträge bearbeitet. Der Mediator ist ein Feigenblatt, das die wirtschaftspolitische Blöße bedecken soll, denn die Bundesregierung steht nackt da.

Wir fordern: Kleine und mittlere Unternehmen müssen in der Kreditkrise wirksam unterstützt werden. In Betracht kommen als Instrumente u. a. ein Beteiligungsfonds zur Stärkung mittelständischer Unternehmen und die verstärkte Nutzung von privatem Wagniskapital.

Wachstum stützen? Wirkung der Konjunkturpakete wird zunichte gemacht

Die mit den Konjunkturpaketen zur Verfügung gestellten Mittel, die überwiegend Ende dieses Jahres auslaufen, stellen einen wichtigen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung dar. Schon seit geraumer Zeit wird in einigen Bereichen die Notwendigkeit weiterer Stützungsmaßnahmen auch über das Jahresende 2010 hinaus sehr deutlich. So ist absehbar, dass sich vor allem die Schwierigkeiten in der Unternehmensfinanzierung fortsetzen oder sogar noch verschärfen werden. Die Wirtschaftsministerkonferenz hat Brüderle schon Ende 2009 aufgefordert zu entscheiden, inwieweit bewährte Instrumente, wie der Wirtschaftsfonds Deutschland, zu verlängern bzw. in längerfristige Programme zu überführen sind.

Wir fordern: Brüderle muss dazu unverzüglich ein Gesamtkonzept vorlegen, um einen Einbruch der Konjunktur nach Auslaufen der Maßnahmen aus den Konjunkturpaketen Ende 2010 zu vermeiden. Wir fordern den Umbau des Deutschlandfonds in einen „Zukunftsfonds für Investitionen“.

Steuerliche Forschungsförderung? Endlose Ankündigungen

Schon im Koalitionsvertrag steht wenig Konkretes zum Thema Forschungsförderung: Eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung wird angestrebt. Brüderle findet dies eine „tolle Sache“ und gibt den Ankündigungsminister: Man müsste mal eine steuerliche Forschungsförderung auf den Weg bringen, meint er, und schiebt die Verantwortung auf die anderen beteiligten Minister innerhalb der Bundesregierung ab. Fakt ist, dass Schwarz-Gelb sich bisher nicht auf konkrete Schritte zur steuerlichen Forschungsförderung ergänzend zur Projektförderung einigen konnte.

Wir fordern: Wir brauchen jetzt eine aktive Politik für mehr Innovationen und Investitionen. Wir müssen heute die Grundlagen für die Produkte von morgen legen und dafür günstige Rahmenbedingungen mit einer steuerlichen Forschungsförderung ergänzend zur Projektförderung schaffen. Der Wirtschaftsminister muss den Druck innerhalb der Bundesregierung verstärken, um Standortnachteile zu vermeiden.

Außenwirtschaftsoffensive? Eine Luftnummer

Brüderle hat seiner Ankündigungspolitik mit einer Außenwirtschaftsoffensive die Krone aufgesetzt. Nur selten gelingt es, mit so wenig Substanz so viel Wirbel zu veranstalten. Lauter Selbstverständlichkeiten und alte Hüte. Deutsche Unternehmen im Ausland politisch zu flankieren sowie Vorhaben, den außenwirtschaftspolitischen Rahmen zu gestalten, sind seit langem als Ziele benannt und werden seit Jahren durch die Bundesregierung verfolgt. Bemerkenswert: Hier legt der Minister dann auch mal tatsächlich Hand an und stellt selber das Exporttelefon des Wirtschaftsministeriums vor. Die SZ stellt dazu trocken fest, dass dies die Momente Brüderles sind, „in denen der Minister am überzeugendsten ist“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir fordern: Brüderle muss endlich dafür sorgen, dass die Welthandelsrunde zu einem positiven Abschluss geführt wird, so dass unsere stark mit dem Ausland verwobene Wirtschaft weiterhin ihre Wettbewerbsvorteile im Außenhandel nutzen kann.

Entflechtungsgesetz? Überflüssig und verfassungsrechtlich zweifelhaft

Brüderle lässt Berichte erstellen, Kommissionen einsetzen, Untersuchungen einleiten und Fragen stellen. Aber nichts Konkretes geschieht. Brüderle hat dem Deutschen Bundestag bisher eine verschwindend geringe Zahl von Gesetzentwürfen zugeleitet. Darunter das „Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 24. November 2006 zur Konstitution … der Internationalen Fernmeldeunion vom 22. Dezember 1992“. Weitere ähnlich bedeutungsvolle Vorhaben enthält die uns übermittelte Arbeitsplanung.

Ein weiterer Höhepunkt ist das zu Jahresbeginn groß angekündigte Entflechtungsgesetz, das – und dies geht im Grunde auch aus einem aktuellen Sondergutachten der Monopolkommission hervor – schlicht und ergreifend überflüssig ist. Und nicht nur das: Sein damit wichtigstes Projekt wird auch von den eigenen Kabinettskollegen ausgebremst. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken haben gleich einige Kabinettskollegen Änderungen angemahnt. Brüderles Projekt wird somit selbst entflochten.

Wir fordern: Es ist endlich an der Zeit, dass der Wirtschaftsminister gerade in Zeiten der Krise die wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in die Hand nimmt, statt sich auf Nebenschauplätzen zu tummeln. Wir brauchen Antworten auf die großen Fragen: Wie nutzen wir die Chancen neuer Technologien? Wie erneuern wir unsere industrielle Basis? Wie erschließen wir neue Potenziale für Dienstleistungen?

Wettbewerbspolitik? Die Monopolstruktur der großen Energieversorger wird gefestigt

Brüderle plant, die Restlaufzeiten von Atomkraftwerken entgegen den Regelungen des Atomkonsenses zu verlängern. Er erklärt dies schon jetzt – ohne ein Konzept für die gesamte Energieversorgung zu haben. Aufgabe eines Wirtschaftsministers ist es vor allem auch, die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb zu schaffen. Eine Verlängerung der Laufzeiten behindert aber insbesondere den Wettbewerb auf dem Strommarkt. Die Markteintrittsbedingungen für neue Anbieter oder Investitionen von existierenden Marktakteuren werden so erheblich beeinträchtigt. Der “Wettbewerbsminister” erreicht damit, dass die marktbeherrschende Stellung der großen Stromkonzerne durch die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke – gerade auch zu Lasten der kommunalen Stromanbieter – zementiert wird.

Wir fordern: Der im Atomgesetz geregelte Ausstieg aus der Atomenergie wird wie beschlossen umgesetzt. Eine Verlängerung der Laufzeiten würde den Wettbewerb auf dem Strommarkt erheblich beeinträchtigen und dringend notwendige Investitionen in neue Technologien verzögern.

Mindestlöhne? Wortbruch und Blockade

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben sich in der Pflegekommission Ende März auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten für die 800.000 Beschäftigten geeinigt. Ursprünglich war geplant, dass das BMAS unter Ministerin von der Leyen den Mindestlohn per Rechtsverordnung ab dem 1. Juli 2010 einführt. Brüderle möchte aber, dass sich das Kabinett mit dem Vorschlag befasst und die Regelung vorerst bis zum 31. Dezember 2011 befristet wird. Das ist unnötig, da es für die Festlegung von Mindestlöhnen in der Pflege ohnehin eine gesonderte gesetzliche Regelung gibt. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten, dass Wirtschaftsminister Rainer Brüderle die Einführung des Mindestlohns in der Pflege nun aufweichen will. Es war ein langer Weg, bis sich Arbeitgeber und Gewerkschaftsvertreter in der extra eingesetzten Kommission auf einen Mindestlohn geeinigt haben. Der Bundeswirtschaftsminister setzt sich nun über die Empfehlungen der Pflegekommission hinweg.

Wir fordern: Gute Pflege hat ihren Preis. Ein Mindestlohn schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping und ist ein wichtiger Schritt bei der Qualitätssicherung in der Pflege. Deshalb ist der Mindestlohn in der Pflegebranche längst überfällig. Wir fordern darüber hinaus einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Lohndumping auf Kosten des Steuerzahlers ist nicht die Zukunft eines hoch innovativen Wirtschaftsstandorts.

 

SPD

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